Das Vogeltribunal by Ravatn Agnes

Das Vogeltribunal by Ravatn Agnes

Autor:Ravatn, Agnes [Ravatn, Agnes]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-09-08T16:00:00+00:00


Ich gab mir besonders große Mühe, an alles zu denken, damit ich diese Woche nicht mehrere Male zu gehen brauchte. Zum Schluss stellte ich den Korb auf den Ladentisch. Halt heute bloß die Klappe, dachte ich, die Aversion saß in jeder Faser meiner Nerven. Sie sagte nichts, ich auch nicht, sie widmete sich dem Eintippen der Waren. Rot genoppte Haut am Hals unter dem weichen Kinn. Als ich ihr das Geld gegeben hatte, hielt sie kurz inne.

»Tja, das war ja schrecklich mit der Frau.«

»Was?«

Ich richtete den Blick auf sie, um zu zeigen, dass ich stark war, sie sollte nicht glauben, dass sie einfach Dinge herausschleudern konnte, die ich wie ein Trottel mit nach Hause tragen würde.

»Nicht, dass es einen anderen Weg gegeben hätte.«

»Ich weiß leider nicht, wovon Sie …«

»Sie konnten vielleicht nicht an der Beerdigung teilnehmen? Hatten wohl im Garten zu tun?«

Sie lächelte ein wenig, reichte mir das Geld.

Ich ging, ohne etwas zu sagen. Drückte die Waren so fest in die Fahrradtasche, dass ich fühlen konnte, wie die Eier zerbrachen. Ich musste es Bagge sagen, er musste es wissen. Kein Nachbarhaus in der Nähe, und trotzdem wusste sie, dass ich im Garten arbeitete. Das war das Dümmste von allem, die Besorgnis, dass mich vielleicht jemand bei meinen trostlosen Versuchen mit der Gartenarbeit gesehen hatte. Er im schwarzen Anzug, glattrasiert. War es so gewesen? Ich konnte diese Verkäuferin nicht noch mehr Kontrolle über mich bekommen lassen, als sie schon hatte. Wenn ich daran festhielt, sie nur als Verkäuferin anzusehen, nicht als Individuum, sondern als Teil einer undeutlichen, feindlichen Gruppe, dann würde es einfacher sein, sie zu töten, dachte ich. Aber sie hatte bereits ein Gesicht und eine Stimme. Konnte es wahr sein, dass seine Frau tot war? »Nicht dass es einen anderen Weg gegeben hätte.«

Er kam nicht aus seinem Zimmer, als das Abendessen fertig war. Ich klopfte mehrmals an die Tür. Rief in den Garten hinaus. Er war weg. Ich schlüpfte in die Sandalen und ging durch den Garten nach unten. Fand ihn ganz außen auf dem Steg, wo er mit der Angel stand, in dünnem Hemd.

»Hier sind Sie! Das Abendessen ist fertig.«

Er wandte sich um.

»Ach, Mist, ich habe die Zeit völlig vergessen.«

»Haben Sie etwas gefangen?«

»Nichts.«

Er ging hinter mir her die Treppe hinauf.

»Wollen Sie nichts essen?«, sagte er, als ich seinen Teller vor ihn hinstellte.

»Sie essen immer allein.«

»Wirklich?«

»Herrgott nochmal, das haben Sie doch schon die ganze Zeit gemacht! Ich esse immer nach Ihnen.«

»Warum denn?«

»Weil Sie es gesagt haben! Wenn Sie in Ihr Zimmer gehen, dann esse ich.«

Er sah verwundert zu mir auf. Er schien mir nicht zu glauben. Ich war nahe daran, ihn zu fragen, ob er verrückt geworden sei, aber ich traute mich nicht, falls er es wirklich war.

»Aber wird dann nicht das Essen kalt?«

Ich nickte zum Herd.

»Dafür verwende ich die Folie.«

»Aber wollen Sie denn nicht mit mir essen, wäre das nicht einfacher?«

»Ja, wollen Sie das denn?«

»Na klar, Allis.«

Ich deckte ihm gegenüber für mich auf. So, dachte ich, jetzt hat sie recht behalten, jetzt habe ich angefangen, mich in ihn hineinzufressen.



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